Montag, 5. Juni 2017

Im Kino – Jahrhundertfrauen und andere Filme

Hmm, für den Film „Jahrhundertfrauen“ musste ich zweimal die Kinosäle aufsuchen – innerhalb von 5 Tagen, eine echte Meisterleistung! Ich analysierte den ersten Besuch, las noch mal zwei Filmkritiken und kam zu dem Ergebnis, den Film nicht gesehen zu haben. Nachwirkungen der Fingeroperation, es war sehr heiß im Kinosaal (Weisshaus), der Film hatte deutsche Untertitel, und es wird sehr viel gesprochen – alles Faktoren, die zusammen kamen. Beim zweiten Besuch kam mir in der Tat nicht viel bekannt vor – so drei Minuten vielleicht. Niemand hat sich beschwert, allzu laut schnarchte ich wohl nicht im Kinosaal.

Mike Mills' Film Jahrhundertfrauen erzählt jedenfalls von einem Teenager, dem im kalifornischen Santa Barbara im Jahr 1979 beigebracht werden soll, ein gut erzogener Mann zu werden. Seine alleinerziehende Mutter guckt dafür die beiden Mitbewohner im Haus (alt-Hippie und Punk-Lady) und das von kleinauf ihm bekannte Mädchen aus gemeinsamen Kindertagen aus. So wird viel philosophiert über Erziehung, geredet über Sex und Rockmusik, Clubs werden besucht, Erfahrungen gemacht.

Insgesamt ein atmosphärisch sehr gelungener Film mit einer sehr überzeugenden Annette Bening als Mutter. Vergleichsweise muss ich sagen, waren meine Eltern noch mehr überfordert und verbal eher sprachlos.

Ein vollgestopfter Film, der vor Ideen nur so sprudelt, der aber geerdet wird von seinem durchweg tollen Cast und sich seine Pointen fast alle verdient“, meint critic.

In J.A. Bayona's Film Sieben Minuten nach Mitternacht nach einem Roman des amerikanischen Schriftstellers Patrick Ness geht es – ungewöhnlich für einen Fantasy-Film - überwiegend um Verlustängste und Trauerarbeit. Einem Jungen erscheint in mehreren Nächten sieben Minuten nach Mitternacht ein Baummonster, um ihn auf den nicht mehr fernen Tod seiner krebskranken, meist bettlägerigen Mutter vorzubereiten und mehrere Geschichten erzählt.

Die Kirche stürzt ein, der Friedhof bricht in den Untergrund, die alte Eibe zersplittert und gebiert das hausgroße Monster, das auf das Haus des Jungen zuschreitet – eine visuell toll umgesetzte Traumsequenz. Die Filmstory selbst ist dann aus meiner Sicht aber reichlich konventionell ohne weitere erzählerische und filmische Höhepunkte (wahrscheinlich habe ich mir mehr Phantastik erhofft).

Dennoch hat der Film ganz überwiegend positive Kritiken bekommen. „Psychologisch wunderbar aufgebaut, großartig gespielt, visuell überwältigend, bewegend, wenn nicht erschütternd, er regt zum Nachdenken an und verarbeitet das Thema Trauer und Schmerz auf eindrückliche Weise“, resümiert z.B. kultumea.

Lars Montag's Film Einsamkeit und Sex und Mitleid nach einem Roman von Helmut Krausser bezeichne ich mal als „bizarr“. Der Film springt in der Handlung – nur locker verknüpft - zwischen verschiedenen protagonistischen Gruppen hin und her, und ob es hier überhaupt „normale“ Szenen bzw. Handlungsabläufe oder Problemlösungsstrategien gibt, kann hinterfragt werden. Tendenziell wirken alle ProtagonistInnen ziemlich gestört.

Visuell wird man dadurch ganz gut unterhalten. An Seele und Story weist der Film jedoch Mängel auf.

Die faz beschreibt es so: Der Film „schiebt seine Figuren wie Schaufensterpuppen hin und her und wundert sich darüber, dass sie nicht von selbst weiterlaufen“.

Prognose/Wertung: Filme noch mal ansehen?

Jahrhundertfrauen: ja, vielleicht.
Sieben Minuten nach Mitternacht: tendenziell eher unwahrscheinlich.
Einsamkeit und Sex und Mitleid: tendenziell eher unwahrscheinlich.

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C. Araxe - Dienstag, 6. Juni 2017, 22:05

„Einsamkeit und Sex und Mitleid” war für mich von der literarischen Vorlage her schon nicht so überzeugend. Die Zeit, in der Helmut Krausser großartige Werke geschrieben hat, scheint der Vergangenheit anzugehören. Ich zählte ihn zumindest für einige Zeit zu meinen liebsten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur.

Treibgut - Mittwoch, 7. Juni 2017, 00:06

Film

... kann ich nicht beurteilen, da ich das Buch nicht kenne. Aber theoretisch ist niemand gezwungen, aus einem mittelprächtigem Roman auch nur einen mittelprächtigen Film zu machen. Es könnte sogar schwieriger sein, aus einem guten Roman einen guten Film zu machen.
C. Araxe - Mittwoch, 7. Juni 2017, 00:27

Das finde ich als das Schwierigstes überhaupt, dass man aus einem guten Roman einen guten Film macht, der zumindest gleichwertig ist. „Das Parfum” fand ich beispielsweise sehr gelungen.
Treibgut - Mittwoch, 7. Juni 2017, 00:53

Geschmäcker

... sind verschieden. Ich fand "Das Parfüm" als Film eher mittelmäßig, schrieb damals (längst gelöscht) hier im Blog: "Es fehlt ihm an Seele, Emotion, Erotik, Spannung und vielleicht auch an Brutalität, und er wirkte auf mich wie ein künstlerisch ambitionierter Hochglanzfilm à la Hollywood".

Das war in 2006 und damals merkte ich schon an, dass es zu lange her ist, um einen Vergleich zum Buch anzustellen, weil ich dieses in 1994 las. Aber vom Buch hatte ich damals einen deutlich besseren Eindruck. Nur lässt sich dies heute nicht mehr stichhaltig begründen, es kann nämlich auch sein, dass es daran lag, dass ich damals noch 12 Jahre jünger und leichter zu beeindrucken war.

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