Im Kino: Das Leuchten der Erinnerung und andere Filme
Das Thema „Alzheimer“, hier synonym verwandt für alle ähnlichen Krankheitsbilder, hat in den letzten Jahren zunehmend auch Eingang in das Kino gefunden. „Still Alice“ war in 2015 ein beeindruckender US-Film, in dem Julianne Moore in der Rolle eine Literatur-Professorin sämtliche Vorbereitungen trifft, um am Ende ihre Würde zu wahren und dennoch scheitert. Und auch der israelische Film „Am Ende ein Fest“, der ebenfalls in 2015 lief, sollte erwähnt werden, da er eine ganz andere Herangehensweise an die Thematik hat.
Das Jahr 2018 startete nun mit Paolo Virzì's Film Das Leuchten der Erinnerung. Ein altes Ehepaar geht hier im Osten der USA auf eine Reise mit dem eigenen, zuvor schon praktisch eingemotteten Wohnmobil. Die Reise soll zu Orten führen, an denen sie früher mal schöne Stunden/Tage verbracht haben. Ziel ist die Südspitze Floridas. Die Frau, schwer krank, möchte ihrem deutlich älteren Mann, der an Alzheimer leidet, diese Orte noch einmal zeigen, um Erinnerung aufzufrischen. Sie hat auch einen Dia-Projektor eingepackt, um ihrem Mann alte Dias open-air auf den Camping-Plätzen zeigen zu können.
Die Kinder sind entsetzt, sie haben vom Reiseplan nichts gewusst und die Mutter lässt sich zwar manchmal telefonisch erreichen, gibt aber ihren Aufenthaltsort nicht Preis.
“Alzheimer“-Filme im Kino können nur Erfolg haben, wenn sie die Thematik nicht bierernst-depressiv abhandelt, sondern eine berührende, ausgewogene Mischung aus moderater Situationskomik, Fremdschämen und ernsten Tönen/Bildern bieten. Dieser Film schafft das ganz gut, und das ist natürlich auch dem schauspielerischen Können von Donald Sutherland und Helen Mirren zu verdanken.
Besonders gut gefiel mir auch das Ende des Films. Der Mann konnte es nicht mehr, aber die Frau konnte noch den richtigen Zeitpunkt erkennen und entscheiden, in Würde aus dem Leben zu scheiden. Sie entscheidet für beide.
Ein wirklich würdiges Sterbe-Szenarium wie in Richard Fleischers berühmten SF-Film „Soylent Green“ (1973) konnte sie allerdings nicht wählen. Dazu ist die amerikanische Gesellschaft – und erst recht die deutsche Gesellschaft - nicht in der Lage, die Voraussetzungen zu schaffen, obgleich es seit Jahrzehnten weder ein finanzielles noch ein technisches Problem ist. Man tritt aus meiner Sicht auf der Stelle, konservative Kräfte, in der Regel unterstützt durch mächtige Lobby-Verbände und Medienarbeit, setzen sich meist durch und verhindern oft jede geistig-technische Entwicklung.
Spielfilm attestiert dem Film, dass „vor allem der genaue Blick sowohl auf die Probleme, als auch auf die Stärken des Paares beeindruckt“.
Aktan Arym Kubat's Film Die Flügel der Menschen, der ebenfalls kürzlich im Kino anlief, führt uns in ein kirgisisches Dorf. Dort werden mitunter Pferde gestohlen, die oft verkauft werden und verschwinden, mitunter wird ein Pferd aber auch frei gelassen. Nachdem ein wertvolles Rennpferd gestohlen wurde, ist dessen Besitzer, der auch selbstverständlich auch zu den Mächtigen im Dorf gehört, erbost. Die örtliche Polizei nimmt erst einmal einen aus der Vergangenheit bekannten Pferdedieb fest und schlägt ihn zusammen, um ein Geständnis zu erpressen, das aber nicht kommt. Stattdessen wird später eine Falle für den Dieb ersonnen.
Die Falle schnappt erfolgreich zu. Bedauerlicherweise handelt es sich um einen Verwandten des Besitzers, der mit dem Schicksal der kirgischen Pferde im Allgemeinen hadert und daher ihre Freilassung betreibt.
Der tendenziell düster-melancholische Film zeigt viel von der Lebensweise in einem Bergdorf Kirgisistans. Es tritt ein Dorf-Gericht zusammen, um den Fall zu verhandeln, und es werden andere Probleme angeschnitten wie die Stellung der Frauen in der Gesellschaft, die Entstehung von Gerüchten in kleinen Dorfgemeinschaften oder das Eindringen islamischer Glaubensvorstellungen. Und der Film zeigt auch eine tolle, aber karge Berglandschaft. Insgesamt gelungen.
Der Regisseur „vereint subtilen Humor mit Alltagsdokumentation und der Zeit der Mythen, die sein Heimatland Kirgisistan umgeben“, meint kino-zeit.
Philippe Lioret's Film Die kanadische Reise erzählt von einem Mann, der vom Tod seines ihm bisher unbekannten Vaters unterrichtet wird und kurzerhand von Frankreich nach Kanada aufbricht, um an der Beerdigung teilzunehmen und seine „neuen“ Verwandten kennenzulernen. Der Empfang ist zunächst etwas kühl, und es zeigt sich, dass dies seine Gründe hat, da seine Halbbrüder untereinander zerstritten sind.
Der Film ist souverän-nüchtern in Szene gesetzt, Handlung und DarstellerInnen wirken authentisch. Aus meiner Sicht gibt die Geschichte jedoch nicht allzu viel her.
Der Regisseur „erkundet komplizierte Familienbeziehungen nach den Regeln eines Thrillers, der den Zuschauer erst allmählich in seine Mysterien einweiht“, sagt epd-film.
Lioret's Filme „Die Frau des Leuchtturmwärters“ (2004) und „Keine Sorge, mir geht's gut“ (2006) gefielen mir jedoch besser.
Prognose/Wertung: Filme noch mal ansehen?
Das Leuchten der Erinnerung: ja, vielleicht.
Die Flügel der Menschen: ja, vielleicht.
Die kanadische Reise: tendenziell eher unwahrscheinlich.
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