Donnerstag, 11. Mai 2017

In Lodz

Polonia Palace, Lodz (Lodsch), 26 €/Nacht mit Frühstück. Durch die endlosen, schwach beleuchteten Gängen dieses großen alten, innen etwas abgenutzt wirkenden Hotels, wo man nie jemand trifft, geistern nachts bestimmt Gespenster. Aber einen Fahrstuhlportier, der einen persönlich in den 5. Stock fährt, haben sie.



>Polonia Palace hinter der Kirche<

"Lublin - Lodz", das waren 300 km mit dem Intercity, wofür dieser nur dreieinhalb Stunden brauchte, weil er streckenweise 160 km/h schaffte. Das kostete ca. 15 €. Bahn fahren ist hier also durchaus sehr viel günstiger als in Deutschland. Allerdings dauert es am Schalter mitunter lange (manche PolInnen quatschen die Dame am Schalter einfach zu anstatt eine Fahrkarte zu kaufen), weshalb ich z.B. heute auf meinen Kaffee verzichten musste bzw. mir diesen im Zug kaufte. Das habe ich - glaube ich jedenfalls - vorher noch nie gemacht. Der Kaffee war übrigens gut, kostete rd. 2 €.

Lodz, drittgrößte Stadt Polens hinter Warschau und Krakau, war mal die weltweit größte Textilmetropole. Die "Manufaktura" gilt als Hauptattraktion von Lodz. Es ist ein Einkaufszentrum auf dem Gelände der einst größten Textilfabrik des Kontinents.



>Manufaktura<



Alt und neu fließen hier architektonisch ineinander, ein gelungenes Leuchtturmprojekt der Stadtsanierung. Man findet hier alles: vom großen Luxushotel bis zu einem Cineplex-Kino, Saturn und zahllose andere global operierende Ketten incl. Gastronomie.

Es gibt noch andere Industriekomplexe in der Stadt, entweder als Ruinen oder auch aufwendig für eine Folgenutzung saniert.



>Dieses Leuchtturmprojekt, anscheinend ein Kraftwerk, ist noch in Bau<






>Riesige Ruinenkomplexe mitten in der Stadt<



Mit der Textilindustrie einher gingen katastrophale Arbeits-, Lebens- und Wohnverhältnisse der ansässigen Einwohnerschaft, während die Textilbarone ihre Stadtpaläste bauten. Es gibt hier sagenhaft viele unbewohnte Ruinen von ehemaligen Mietskasernen, und die Bewohner müssen mitunter vor den Häusern bzw. herabfallenden Steinen geschützt werden. Netze und "Steinfangballustraden" aus Holz sind oft an diesen Ruinen zu sehen. Erinnert mich an Tiflis oder Oradea.

Gleichwohl ist vermutlich auch schon viel Vergangenheit in den letzten Jahren verloren gegangen. Abgeräumte Flächen, aber auch Neubauten wie der ultramodern unterkühlt wirkende neue Bahnhof sprechen für den Einsatz der Abrissbirne im großen Stil.

Attraktive Graffiti auf einstmals schmuddeligen Häuserwänden sieht man auch:






Durch die als Einkaufsstraße und Fußgängerzone genutzte Prachtallee "Piotrkowska" bin ich auch schon gegangen:



In Bus und Straßenbahn habe ich das Ticket mit Visacard am Automaten bezahlt - eine Technik ohne Geheimzahl, die ich in Deutschland noch nie angewendet habe. Das ist praktisch, man hält einfach die Karte vor das Gerät und schwupp wird abgebucht und das Ticket gedruckt.

Der "Cmentarz Zydowski" ist der größte jüdische Friedhof Europas und hat lt. Reiseführer 160.000 Gräber, die sich über ein verwildertes Areal von 41 ha verteilen. Man zahlt etwas Eintritt, und ich war an diesem Ort dann fast alleine.

In manchen Bereichen wird der Friedhof von Vegetation freigehalten - zumindest alle paar Jahre mal. In anderen Bereichen erobert der Wald den Friedhof seit Jahrzehnten zurück.









Die Grabsteine zeigen alle Stufen möglichen Zerfalls: intakt, aufrecht stehend, schief, umgefallen, zerborsten.

Es gibt auch eine Prachtallee - insbesondere mit den Mausoleen der Textilfabrikanten:






In einem kleineren Textilmuseum war ich heute auch noch. Ausserdem sah ich weitere Graffiti-Kunstwerke an Häuserwänden:












Heute, am zweiten Tag in Lodz, war das Wetter mal richtig schön und erreichte mit bis dato 19 Grad im Schatten den höchsten Wert der Reise. Das soll am Sonntag mit 21 Grad in Warschau noch getoppt werden.

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