67 Filme habe ich in 2011 im Kino gesehen, etwas weniger als in 2009 und in 2010. Die 22 besten von diesen Filmen habe ich unten gelistet. Diese Filmliste ist natürlich sehr subjektiv und von meinen Vorlieben gekennzeichnet. Hollywood-Filme und Komödien werden da tendenziell benachteiligt.
1. Science Fiction
Der einzige „echte“ Science Fiction, der in dieser Liste auftaucht, ist Tim Fehlbaum's Endzeit-Story Hell, der im Jahr 2016 angesiedelt ist. Erhöhte Sonneneruptionen haben die Temperaturen um 10 Grad ansteigen lassen, alles ist verdorrt, draussen scheint die Sonne so hell, dass Haut und Augen zu schützen sind. Die Zivilsation ist zusammengebrochen, die meisten Menschen sind tot.
Die ProtagonistInnen der Story sind mit einem Auto unterwegs in eine bessere Gegend, in der es vielleicht noch Wasser gibt. Unterwegs treffen sie auf kannibalische Lebensgemeinschaften.
2. Phantastik
Hier ist – erstaunlicherweise - Woody Allen's Film Midnight in Paris zu erwähnen, der sich zwar nicht der üblichen Stilmittel der Phantastik bedient, aber eine Geschichte erzählt, die eindeutig phantastische Elemente aufweist. Ein amerikanischer Autor, der versucht einen Roman zu schreiben, reist mit seiner Verlobten und deren Eltern nach Paris. Sie treffen dort noch ein anderes – ihnen bekanntes – Pärchen.
Eines abends trennt sich der Autor von seiner Verlobten, verirrt sich und als nach Mitternacht ein Oldtimer neben ihm hält, wird er in die Gesellschaft der 1920er Jahre hineingezogen. Das passiert fortan jedesmal nach Mitternacht, wenn er immer wieder diesen Ort, wo der Wagen hielt, aufsucht. Er trifft viele berühmte Persönlichkeiten, etwa Dali oder Picasso, mit denen er durch die Gaststätten und Etablissements zieht und verliebt sich auch in eine Frau. Eines Tages landet er mit dieser Frau im Jahr 1890, worauf diese ihm erklärt, dies sei eine phantastische Zeit, hier werde sie bleiben.
Der zweite, sicherlich bessere Film im Bereich Phantastik ist Duncan Jones' Thriller Source Code. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Zug und einer der Passagiere. Dieser wird “übernommen”, eine andere Person von einer militärischen Einrichtung aus hinein projiziert. Diese erlebt die letzten 8 Minuten vor Explosion des Zuges immer wieder neu, um das Puzzle um den Täter zu lüften. Ziel ist, zukünftige Anschläge des Täters zu verhindern.
Der Protagonist erinnert sich dabei an die Fortschritte seiner “toten” Vorgänger. Doch die Geschichte entwickelt sich anders, der Protagonist verändert die Realität. Einer der besten Filme des Jahres.
3. Historische Ereignisse und Vergangenheitsbewältigung
Filme, die irgendwann in der Vergangenheit spielen oder aus der Gegenwart auf die Vergangenheit zurückblenden, machen den Großteil der Filme aus, die ich gut fand.
Guillermo Arriaga's Film Auf brennender Erde erzählt von verbotener Liebe und Tod. Ein Liebespaar stirbt bei der Explosion eines Wohnwagens, und die Hinterbliebenen zweier sich fremder Familien haben damit zu kämpfen. Das Drama hat zwei Zeitebenen, die 12 Jahre auseinander liegen und drei visuell interessante Handlungsorte, die in Oregon, New Mexico und Mexico liegen. Es dauert recht lange, bis man begreift, wie die Personen und Orte miteinander verbunden sind, zumal die Geschichte nicht chronologisch erzählt wird, sondern immer hin und her springt.
Xavier Beauvois' Film Von Menschen und Göttern spielt Mitte der 90er Jahre in Algerien und handelt von einer kleinen Gruppe christlicher Mönche, die in einem Dorf im Atlas-Gebirge ein kleines Kloster führen. Sie helfen den Bewohnern mit der Bürokratie, führen auch eine kleine Krankenstation. In Algerien war es zu dieser Zeit ziemlich gefährlich, da islamische Terroristen Morde an Andersgläubigen und Abweichler von der “reinen Lehre” verübten.
Die Geschehnisse treffen im Film auch das Dorf. Es dauert nicht lange, als Terroristen nachts an die Pforten des Klosters klopfen und Hilfe begehren. Diese Begegnung geht noch gut aus, doch die Angst schleicht sich ins Dorf und ins Kloster. Die Probleme und die Frage “bleiben oder gehen” werden intensiv diskutiert, gleichzeitig viel aus dem klösterlichen Leben mit seinen Ritualen gezeigt. Die Geschichte, die nach wahren Begebenheiten verfilmt wurde, nimmt ein böses Ende. Einer der besten Filme des Jahres.
In Nigel Cole's Film We Want Sex geht es um die Durchsetzung gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit in einem britischen Ford-Werk. Der Streik, den die knapp 180 Näherinnen 1968 anzettelten, zog weite Kreise bis in die Konzernzentrale in Amerika und in die britische Regierung – und er führte 1970 zu einem Gleichstellungsgesetz. Das wird alles im Film sehr transparent und amüsant vor Augen geführt.
Konflikte mit der männerbeherrschten Gewerkschaft und Szenen aus dem traditionellen Rollenverständnis zwischen Mann und Frau illustrieren die Probleme sehr plastisch. Einer der besten Filme des Jahres.
Florian Cossen erzählt in Das Lied in mir von einer Frau, die zufällig in Buenos Aires weilt und emotional zusammenbricht, als sie auf dem Flughafen ein Kinderlied hört. Sie verpasst den Anschlussflug, verliert ihren Pass und quartiert sich in der Stadt ein. In der Polizeistation lernt sie einen Polizisten kennen, der deutsch spricht. Als ihr Vater unangekündigt auftaucht und sich merkwürdig verhält, wird sie misstrauisch.
Schliesslich offenbart ihr der Vater, dass sie im Alter von 3 Jahren adoptiert wurde und in Buenos Aires aufwuchs – bis ihre Eltern verschwanden. Sie forscht weitgehend ohne die Hilfe ihres “Vaters”, aber mit Hilfe des Polizisten nach ihrer Familie und wird fündig. Sie wird herzlich empfangen, doch als die argentinische Familie erfährt, wer ihr “Vater” ist, eskaliert die Situation. Einer der besten Filme des Jahres.
Mikael Håfström's Film Shanghai spielt im Vorfeld des Angriffs auf Pearl Habour in Shanghai. Die Stadt ist praktisch von japanischen Truppen schon besetzt, aber das diplomatische Leben um Botschaften und die ausländische Presse existieren noch. Ein amerikanischer Spion versucht den Tod seines Kollegen aufzuklären und kommt – auf Festen und in Spielsalons - mit den Mächtigen in der Stadt in Kontakt, dem Triaden-Boss und dem japanischen Geheimdienstchef.
Und er lernt die Frau (Gong Li) des Triadenbosses kennen, die heimlich im Widerstand arbeitet. Der Film ist mit seinem historischen Ambiente mit Club-, Hafen- und Straßenszenen hübsch anzusehen, gleichzeitig aber auch ziemlich bleihaltig und brutal.
In Michel Leclerc's Film Der Name der Leute sieht eine junge schöne Frau ihre Mission darin, politische Gegner mittels Sex “umzudrehen”. Doch sie trifft einen älteren, vergleichsweise verklemmten Veterinär, den sie nicht politisch umpolen muss, und mit dem sie dennoch schläft. Sie verliebt sich in diesen Mann, dem ihr “Lebenswandel” allerdings nicht so ganz geheuer ist. In Rückblenden werden Ereignisse aus der Kindheit der Protagonisten und dem Leben ihrer Eltern geschildert, die funktionell die unterschiedlichen Charaktere der beiden ProtagonistInnen erklären sollen. Einer der besten Filme des Jahres.
John Madden's Agententhriller Eine offene Rechnung spielt überwiegend 1965 in Ost-Berlin und 1997 in Israel und der Ukraine. Eine kleine israelische Truppe (3 Personen) versucht 1965, einen alten Nazi-Arzt zu finden und aus Ost-Berlin raus nach West-Berlin zu schaffen, um ihn später in Israel vor Gericht zu stellen. Das gelingt auch zunächst, jedoch kommt es zu einem Schusswechsel und später in einer Westberliner Wohnung geht noch mehr schief.
Zu Hause erzählen die Agenten später, der Arzt wäre umgekommen, doch über 30 Jahre später holt sie die Vergangenheit ein. Einer der besten Filme des Jahres.
Gilles Paquet-Brenner's Film Sarahs Schlüssel behandelt die Deportation der Juden 1942 in Paris. Ein Schwerpunkt des Films ist der Beginn der Deportation mit der Überführung von 13.000 Juden in die Pariser Pferderennbahn, wo diese eine Zeit lang hausen mussten, ohne dass es nennenswerte sanitäre Einrichtungen etc. gab. Den anderen Schwerpunkt bildet die Recherche einer französische Journalistin, die in die Geschichte 60 Jahre später auch privat verwickelt wird.
Sie erfährt, dass die Wohnung der Schwiegereltern, die sie mit ihrem Mann beziehen wird, 1942 von ersteren bezogen wurde. Der Schwiegervater erzählt ihr eine schreckliche Geschichte von einem jungen Mädchen, das damals dort wohnte und die vom Film in dieser Parallelmontage erzählt wird. Die Journalistin versucht, dieses Mädchen wiederzufinden. Ihre Recherchen führen sie weiter nach New York und Florenz.
Marcus H. Rosenmüller erzählt in Sommer in orange von einer Berliner Bhagwan-Kommune, die auf einen Hof in einem kleinen bayerischen Dorf zieht. Gegenseitiges Misstrauen zwischen Kommune und Dorfbewohnern gestaltet das Zusammenleben etwas schwierig. Mittendrin befinden sich auch Kinder, die z.B. zur Schule gehen und sich daher auch anpassen müssen, aber zum Teil auch anpassen wollen, weil sie vom Treiben ihrer Kommune mitunter selbst genervt sind.
Spannungen gibt es auch innerhalb der Kommune, da die Idee von der freien Liebe in der Praxis nicht so recht funktioniert.
Yasemin Samdereli's bemerkenswert stilsicherer Film Almanya – Willkommen in Deutschland schildert aus Sicht einer deutsch-türkischen Familie Einwanderung, Integration und Leben derselben in Deutschland. Hierbei erzählt die Enkelin den jüngsten Kindern, wie und warum die Großeltern nach Deutschland gekommen sind und was sie dort vorfanden und erlebten. Dieser erzählerische Trick erlaubt es, das Erlebte satirisch zu überhöhen.
Hinzu kommt, dass mitunter auch Alpträumvisionen gezeigt werden, etwa als die Großeltern bei der Einwanderungsbehörde einen ordentlichen Schweinebraten serviert bekommen, um ihre Integrationsfähigkeit zu beweisen. In der ersten Hälfte ist der Film sehr witzig, wird in der zweiten Hälfte jedoch deutlich melancholischer. Einer der besten Filme des Jahres.
Lone Scherfig's Film Zwei an einem Tag verfolgt eine Beziehung über 22, 23 Jahre, zeigt aber immer nur einen Tag des jeweiligen Jahres (den 15. Juli). Diese Beziehung ist nicht so eng, dass sie von Anfang an ein Paar wären – das passiert erst viele Jahre später, so dass hier also über weite Strecken Lebensentwürfe und Werdegang einer Frau (Anne Hathaway) und eines Mannes (Jim Sturgess) gezeichnet werden, die sich einmal im Jahr treffen.
Paolo Sorrentino's Film Cheyenne - This Must Be the Place erzählt von einem gealterten Gothic-Rockstar (Sean Penn), der seinen Job an den Nagel gehängt hat, vom Tod seines Vaters hört und nach Amerika aufbricht, auch um auf Spurensuche zu gehen. Der Film lebt von seinem kauzig-depressiven Hauptprotagonisten und von den oft etwas schrägen philosophischen Dialogen.
Denis Villeneuve's im Libanon spielendes Drama Die Frau die singt beginnt in Kanada mit einer Testamentseröffnung. Die Mutter verfügt hier, nackt und mit dem Gesicht zu Erde ohne Sarg begraben zu werden und sowohl Tochter als auch Sohn bekommen einen Brief vom Notar, den sie ihrem totgeglaubten Vater und ihrem bis dato unbekannten Bruder überbringen sollen.
Die Kinder sind geschockt, denn erst nach der Übergabe der Briefe darf ein Grabstein aufgestellt werden. Die Tochter begibt sich auf Spurensuche in den Libanon, noch nicht ahnend, welch düsteren Geschichte sie auf der Spur ist. Während sie die Orte besucht, wo ihre Mutter lebte und schon im Heimatdorf der Mutter frostig abgewiesen wird, nachdem sie sagt, wer sie ist, blendet der Film immer wieder 35 Jahre zurück auf die finsteren Ereignisse, in denen die Mutter verwickelt war. Einer der besten Filme des Jahres.
4. Der Rest
Die dänische Regisseurin Susanne Bier lieferte mit In einer besseren Welt eine diffizile Studie über den Umgang mit Gewalt – zwischen Schulkindern, zwischen Elternpaaren und in einem schwarzafrikanischen Flüchtlingslager. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen dabei zwei neu befreundete Jungen und deren Väter, von denen einer wiederum als Arzt in einem Flüchtlingscamp arbeitet. Er ist überzeugter Anhänger friedlicher Konfliktlösungen – sowohl in der Familie, als auch am Arbeitsplatz.
Aber so einfach ist das nicht – weder hier noch woanders - und das zeigt exemplarisch dieser Film. Einer der besten Filme des Jahres.
Der Western True Grit der Coen-Brüder handelt von einem 14-jährigen Mädchen, das die Ermordung seines Vaters rächen will. Es beauftragt einen alten, gern Whiskey trinkenden Sheriff mit zweifelhafter Vergangenheit. Zusammen mit einem Texas-Marshall, der auf das Kopfgeld scharf ist, ziehen sie per Pferd los in ein Indianerreservat, um den Mörder zu stellen. Dabei kommt es häufig zu Streitereien untereinander und am Ende natürlich auch zu einer bleihaltigen finalen Auseinandersetzung mit den Banditen.
Alix Delaporte's Film Angèle und Tony spielt in der Bretagne und handelt von einer jungen Frau mit dunkler Vergangenheit, die auf eine Anzeige hin einen Fischer kennen lernt, bei ihm einziehen darf und auf dem Fischmarkt zu arbeiten beginnt. Es entwickelt sich eine düster-romantische Liebesgeschichte mit Happy End. Schöner Film und - trotz Happy End, das noch nicht einmal unbedingt zu erwarten wäre - dank der Darsteller und der Storyführung glaubwürdig inszeniert.
In Debra Granik's mehrfach preisgekrönten Film Winter's Bone sucht die Tochter, die mit ihren Geschwistern und der psychisch gestörten Mutter in einer Hütte in den Ozark Mountains (USA) mehr schlecht als recht haust, ihren Vater, der nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis untergetaucht sein soll, aber vorher die Hütte verpfänden musste. Doch die Gemeinschaft mauert zunächst.
Die abgewrackten „Bauernhöfe“ am Rande der wirtschaftlichen Pleite und die vielen schrägen Gestalten, aber auch die Rituale der Nachbarschaftshilfe, geben dem Film eine besondere Note. Einer der besten Filme des Jahres.
Philippe Le Guay's Komödie Nur für Personal! spielt in den 1960er Jahren weitgehend in Paris. Ein reicher Börsermakler lebt mit seiner Ehefrau in einem alten Wohnblock, und unter dem Dach im 6. Stock leben die Bediensteten in kleinen Kammern. Als das “Kindermädchen” geht, stellt der Börsenmakler eine junge Spanierin ein und kommt wenig später - sozusagen fast erstmals - in Kontakt mit den anderen Spanierinnen, die oben im Dach hausen und deren zum Teil prekären Lebensverhältnissen dort.
Er bessert deren Lage. Als ihn später seine Ehefrau des Betrugs verdächtigt und aus der Wohnung weist, zieht er in den 6. Stock. Der Film ist ein etwas melancholisches Sozialmärchen.
John Michael McDonagh's Film The Guard - Ein Ire sieht schwarz spielt in einem Dorf an der Küste Irlands. Der Cop, etwas rassistisch, auch sonst nicht unbedingt politisch korrekt im Amt und meist mit Kleindelikten befasst, muss sich plötzlich mit Mord und Drogenhandel auseinandersetzen. Ihm wird ein schwarzer FBI-Ermittler zur Seite gestellt, womit gegenseitige Sticheleien zur Tagesordnung werden.
Mit Motiven aus Clint-Eastwood- und Sergio-Leone-Filmen angereichert, kommt die Geschichte boshaft-witzig, aber nicht albern daher, erinnert auch manchmal stilistisch an Werke der Coen-Brüder.
Bei wulfmansworld kann man sich die Charts der in Deutschland am erfolgreichsten gelaufenen Filme 2011 ansehen. Die Filme der PLätze 1 - 9 habe ich nicht gesehen, auf Platz 10 rangiert derzeit "Black Swan", den ich nicht in meine Liste aufgenommen habe. Auf Platz 19 kommt mit "Almanya - Willkommen in Deutschland" der erste Film aus meiner Liste, den immerhin noch 1,4 Mio. Besucher gesehen haben.
Danach folgen aus meiner Liste auf Platz 33 "True Grit", Platz 37 "Midnight in Paris", Platz 39 "Zwei an einem Tag", Platz 54 "Sommer in Orange" und auf Platz 88 "Source Code" mit rd. 340.000 Besuchern.
Kurzum, mein Geschmack ist mit dem Mehrheitsgeschmack der Kinobesucher nicht kompatibel - aber das ist auch nichts Neues.
Ausserdem sah ich in 2011 noch ca. 65 DVD's - ein deutlicher Rückgang um knapp 25 %, der auch damit zusammen hängt, dass mir das Filmfutter ausgegangen ist und ich zunehmend auf Filme zurückgreifen muss, die ich schon vor 5 - 6 Jahren gesehen habe.